11. ZEIT Forum der Wissenschaft – Thierse: Aufarbeitung der Geschichte statt Vergangenheitsbewältigung
Thierse betonte die Bedeutung eines gemeinsamen Vergangenheitswissens, „weil eine Gesellschaft so etwas für ihre Identität braucht: das Wissen um ihre Geschichte“.
Joachim Gauck, ehemaliger Bundesbeauftragter für die Unterlagen des DDR-Staatssicherheitsdienstes, betonte, zu diesem Vergangenheitswissen gehöre nicht nur die bedrückende Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus, sondern auch das positive Streben nach Freiheit, das zur Wende und dem Fall der Mauer geführt hat. „Das gehört in das kollektive Gedächtnis. Wenn es dort verankert ist, könnte die Nation gesunden und mit diesen neurotischen Pendelschlägen in der historischen Debatte aufhören.“
Das Wissen um die gemeinsame Vergangenheit verpflichte zum verantwor-tungsbewussten Umgang mit ihr. Thierse hielt den Begriff ‚Vergangenheitsbewältigung’ für falsch: „Ich fand immer das Wort ‚Aufarbeitung’ treffender, weil ich damit ein bestimmtes Bild verbinde: Früher zu sparsameren Zeiten wurden Kleider aufgearbeitet. Ein altes Hemd bekam etwa einen neuen Kragen und mir scheint, diese Arbeit müssen wir immer noch mit unserer Geschichte leisten, damit wir sie als Kleid in der Gegenwart tragen können.“ Denkmäler wie das Holocaust-Mahnmal, seien ein Teil dieser Aufarbeitung. „Dieses Denkmal war immer umstritten. Vielleicht ist die Debatte um seine Entstehung sogar sein wichtigster Teil. Die Gesellschaft arbeitet an diesem Denkmal und beweist damit, dass diese Vergangenheit eben nicht so einfach überwunden werden kann. So wird es zu einem Denkmal unseres Bemühens, uns nicht vor unserer Geschichte zu drücken,“ resümierte Thierse.
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