Philosoph Frithjof Bergmann in ZEIT CAMPUS: Wir haben verlernt, unsere freie Zeit sinnvoll zu nutzen

In einem Interview mit ZEIT CAMPUS, dem Studentenmagazin der ZEIT, zweifelt er das Arbeitsethos unserer Gesellschaft an: „Die einen dienen ihr bis zum Umfallen, die anderen werden permanent von ihr ausgeschlossen. Wer nicht arbeitet, der verfault. Sehr viele erleben ihre Arbeit als milde Krankheit. (…) Nicht als Krebs, aber als Erkältung: Man erträgt sie, sie geht ja vorüber.“

Viel schlimmer sei aber die Hingabe zur Arbeit, das Arbeitsethos – „ein kulturell gewachsenes Phänomen“, das sich auch auf das Freizeitverhalten auswirke: „Wir haben verlernt unsere Zeit sinnvoll zu nutzen“, betont der 75-jährige Philosoph.
 
Früher sei Arbeit für die Menschen „noch nicht einmal das halbe Leben“ gewesen, so Bergmann: „Wussten Sie, dass der Mensch in frühen Kulturen im Durchschnitt nur zwei Stunden pro Tag gearbeitet hat? Diese Zeit brauchte er, um sein Überleben zu sichern. In der restlichen Zeit war er fröhlich und kümmerte sich um Rituale und Feste.“
 
„Früher waren die Menschen glücklicher“, folgert Bergmann. „Das große Dilemma der modernen Arbeitswelt ist, dass die Menschen nach Erfüllung in ihrer Arbeit suchen, diese aber nur bei den allerwenigsten Jobs finden können.“ Die Politiker bezeichnet er als „Schlafwagenschaffner“ auf einem Zug, der „immer schneller bergab fährt“: „Sie geben uns Kissen zum Schlummern, damit sie nicht zugeben müssen, dass sie keine Ideen haben.“

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