Rhetorik des Vertrauens: Mehr Economy als Sharing
Moderne Unternehmen der Sharing-Economy wie Airbnb oder UberCar werben oft mit einer Rhetorik des Vertrauens für sich. Ute Frevert, Leiterin des Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin, kritisiert im Gespräch mit ZEIT CAMPUS: „Ich habe den Eindruck, dass manche jüngeren Leute glauben, das Internet ermögliche ihnen nicht nur Kommunikation, sondern auch eine Art von Nähe zu anderen. Dabei darf man aber eines nicht aus dem Blick verlieren: Bei all der Sharing-Economy geht es weniger um Sharing als um Economy.“
Falsch daran sei, „dass es nicht um Vertrauen geht, sondern um ein rationales Kalkül“, dass sich Unternehmen ein „sympathisches Mäntelchen“ umhängen, indem sie auf die Vertrauensschiene setzen, so Frevert.
Für Frevert gehören Vertrauenserwartungen nicht in die geschäftliche Sphäre, sondern sind ein rein zwischenmenschliches Versprechen: „Vertrauen setzt Kenntnis und freie Entscheidung voraus. Es ist ein freiwilliger Akt, ein Geschenk, das ich nicht geben muss. Vertrauensverhältnisse kann ich also zu Freunden aufbauen, zu Kollegen oder zu einer Nachbarin, der ich den Schlüssel zu meiner Wohnung gebe“.
Über das Vertrauen der Bürger ins politische System sagte Frevert, sie sehe „weit weniger Desinteresse als diejenigen Wissenschaftler, die schon in den siebziger Jahren von Politikverdrossenheit geredet und das Ende der Parteiendemokratie ausgerufen haben.“ Auch sei die Analyse vom Vertrauensverlust in gesellschaftliche Institutionen nicht treffend. Frevert: „Wenn sich die Institutionen (…) an jene Regeln halten, kann man sich auf ihre Arbeit verlassen. Wenn sie das nicht tun, wenden sich Bürger, Konsumenten, Kunden ab. Solche Abwanderungen kann ich auf breiter Front aber nicht entdecken.”
Ute Frevert ist habilitierte Historikerin und forscht aktuell am Max-Planck-Institut zur Geschichte der Gefühle. Ihr Buch „Vertrauensfragen: Eine Obsession der Moderne“ erschien 2013 im C. H. Beck Verlag.
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