Pressemitteilung der
ZEIT Verlagsgruppe

9. Dezember 2016

Friedrich Merz zur US-Wahl: „Wir müssen jetzt mal mit der Heulerei aufhören!“

Friedrich Merz, ehemaliger CDU-Politiker, Manager und  Vorstandsvorsitzender der Atlantik-Brücke e.V., sprach bei der 8. ZEIT KONFERENZ Deutsches Wirtschaftsforum in der Paulskirche in Frankfurt am Main über die transatlantischen Beziehungen nach der US-Wahl.

Europa sei bislang noch nicht in der Lage, die eigenen Interessen unabhängig von Amerika zu vertreten, so Merz: „Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist die, ob wir bereit sind, dass Amerika sein Verhalten gegenüber Europa ändert. Meine Antwort ist klar: Nein! Wir sind es nicht.“ Das werde gerade in der Außen- und Sicherheitspolitik sichtbar: „Wir sind noch nicht einmal in der Lage, unsere eigenen Soldaten aus den Krisengebieten herauszuholen. Das ist beschämend!“ Im Gegensatz zu Amerika sei Europa beispielsweise abhängig von Öl- und Gaslieferungen aus dem Mittleren Osten: „Wir dürfen nicht damit rechnen, dass die Amerikaner unsere Interessen vertreten werden, und das unabhängig davon, wer dort jetzt gerade Präsident ist.“ Merz kritisiert den fehlenden europäischen Zusammenhalt. Besonders in Fragen, in denen die „amerikanischen und europäischen Interessen nicht übereinstimmen, sollten wir uns auf dieser Seite des Atlantiks eine gemeinsame Meinung bilden.“ Europa sei, was sein Selbstbewusstsein angehe, manchmal zu bescheiden: „Wir müssten den Amerikanern öfter sagen, wenn wir etwas anders sehen!“

In der Debatte zum Ausgang der US-Wahl wünscht er sich mehr Nüchternheit: „Wir müssen jetzt mal mit der Heulerei aufhören!“ Und weiter zur Zukunft der transatlantischen Beziehungen mit dem neuen Präsidenten: „Ich sehe im Augenblick keine bessere Wertegemeinschaft als die der Europäer und der Amerikaner. Sagen Sie mir eine bessere!“

Merz ist sich sicher, dass die Nato auf absehbare Zeit auch politisch das tragfähigste Fundament sei, dass die Europäer mit den Amerikanern verbinde: „Wir haben ein Interesse daran, dass dieses Fundament bleibt, aber es wird schmaler und auch brüchiger.“ Auf längere Sicht sollte auch nach dem vorläufigen Aus von TTIP ein neuer Vertrag angestrebt werden: „Wir wären gut beraten, die Tür nicht zuzuschlagen“, gerade weil die strategischen Optionen für Amerika weit größer seien als für Europa: „Amerika kann und wird sich stärker dem Pazifik zuwenden.“ Er mache sich keine Illusion über ein Bündnis mit Russland: „China wie Russland sind wichtige Wirtschaftspartner, aber ich will hier gar keinen Hehl aus meiner Meinung machen: Es sind beides keine Rechtsstaaten.“
 
Beim Deutschen Wirtschaftsforum in der Paulskirche in Frankfurt am Main versammeln sich am 8. Dezember 2016 zum achten Mal führende Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, darunter Carsten Spohr, Dieter Zetsche und Boris Becker.

Clara Bluhm
Referentin Hochschulveranstaltungen