Marion-Dönhoff-Preis 2024 verliehen / Preisträger David Grossman: „I like to be naive, not foolishly naive, but calculatedly naive”
Der israelische Schriftsteller David Grossman und die internationale Hilfsorganisation World Central Kitchen erhielten am 8. Dezember im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg den Marion-Dönhoff-Preis. DIE ZEIT, die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS und die Marion Dönhoff Stiftung verliehen den Preis für internationale Verständigung und Versöhnung zum 22. Mal.
David Grossman wurde für seinen unermüdlichen Einsatz im Nahostkonflikt zur Versöhnung zwischen Israelis und Palästinensern ausgezeichnet. In seiner Dankesrede betonte der Schriftsteller die Bedeutung von Hoffnung: „I cannot allow myself the luxury of despair. It’s always easier to be despaired by the reality, you know, in my area, in my country, and I don’t want to collaborate with it.“ Weiter sagte er: „It’s not easy to remain yourself in our extreme reality. Because to be afraid, to be suspicious, to be competitive, to be vengeful, are much easier than to do good.“
Grossman sprach über den Glauben an Frieden und Veränderung: „I like to be naive, not foolishly naive, but calculatedly naive, rationally naive. Understanding that naivete is a great power because it pushes people and makes them change things and makes them flow in a reality that has congealed and ossified. And I don’t want to congeal, I don’t want to be able to protect myself from reality. Life is so short. Why should we be happy when we managed to cloak ourselves from the dangers and the fears? No, I really want to expose myself to all these dangers, because only when I expose myself to it I’m able to move. And to ignite things and to make things different. By the way, I think this is the heart of literature.“
Die Laudatio auf David Grossman hielt die deutsche Schauspielerin Iris Berben: „Frieden ist die einzige Option. Das war und ist seine Botschaft. Auch heute, auch nach dem 7. Oktober. Eine Botschaft, die man für naiv halten könnte, entspränge sie nicht der zutiefst realistischen Erkenntnis, dass der Krieg nur Verlierer hervorbringt.“ Berben sagte, sie sei beeindruckt von Grossmans „Fähigkeit, immer beide Seiten des Konflikts zu sehen, das Verbindende zu suchen und der großen Verzweiflung kleine Hoffnungsschimmer entgegenzusetzen.“ Sie stellte heraus: „Wohlwissend, dass sich immer mehr Menschen dem Hass ergeben, sucht er unermüdlich nach den Grundlagen für einen Neuanfang.“
Die internationale Hilfsorganisation World Central Kitchen versorgt im Zusammenwirken mit lokalen Gemeinschaften Menschen nach Naturkatastrophen, in Krisen- und Kriegsgebieten mit Nahrungsmitteln, unter anderem in Spanien, in der Ukraine oder im Gazastreifen. Linda Roth, Chief Communications Officer World Central Kitchen, nahm den Preis entgegen. Zur Situation im Gazastreifen sagte sie: „Operating in Gaza has unbelievable challenges in caring for staff and coordinating with all relevant authorities and even the physical sourcing of ingredients. We evolve our logistics and processes constantly to meet these challenges, and our commitment does not change.“
Roth beschrieb das Ziel von World Central Kitchen: „The goal is always the same: Serve hot, nourishing, culturally appropriate meals to impacted communities with urgency, but also with dignity. And we do this by working shoulder to shoulder with the local community. We don’t swoop in from above with a ‘one-size-fits-all plan’ or the same set of recipes in every response. Food and comfort through familiar flavors and smells can restore a shattered person’s sense of home. Even when their home is in ruins, home is hundreds of miles away, or home is a place they might not ever see again.“
Die Laudatio auf World Central Kitchen hielt die Köchin und ehemalige EU-Abgeordnete Sarah Wiener. Darin sagte sie: „Alle Helferinnen und Helfer sind das Rückgrat und das Herz von World Central Kitchen. Viele Menschen, die darin arbeiten, sind auch selbst Betroffene, die zum ersten Mal wieder nach langer Zeit eine positive Selbstwirksamkeit dadurch erfahren, dass sie jetzt Anderen etwas Gutes tun, dass sie am Herd stehen, dass sie servieren, dass sie anderen Betroffenen Trost und Hoffnung spenden können.“
Der Jury gehören Friedrich Dönhoff (Autor), Norbert Frei (Historiker), Astrid Frohloff (Journalistin), Maja Göpel (Politökonomin), Manfred Lahnstein (Kuratoriumsmitglied der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS), Matthias Naß (DIE ZEIT), Janusz Reiter (Polnischer Botschafter a. D.), Heinrich Wefing (DIE ZEIT) und Anne Will (Journalistin) an. Zahlreiche Leserinnen und Leser sind dem Aufruf der ZEIT gefolgt und haben verschiedene Personen und Organisationen vorgeschlagen, die sich im Sinne Marion Dönhoffs für internationale Verständigung und Versöhnung engagieren.
Hauptpreis und Förderpreis sind mit jeweils 20.000 Euro dotiert.