Psychiater Reinhard Haller: Trump wurde gewählt, weil er ein Narzisst ist
Der österreichische Gerichtspsychiater Reinhard Haller erklärt im Gespräch mit dem Magazin ZEIT WISSEN den Erfolg Donald Trumps mit dessen Narzissmus. Er glaube, „dass die Leute ihn nicht gewählt haben, obwohl er ein Narzisst ist, sondern gerade deswegen.“ Die Verbindung mit dem Unberechenbaren sei ein typischer Mechanismus, so Haller. „Das, was Angst macht, was nicht berechenbar ist, zieht auch an. Die Leute versuchen, sich das Unheimliche anzueignen, sich mit ihm zu verbünden.“
Narzissten zeichnen sich nach Haller durch ihre extreme Kränkbarkeit aus. „Unter einem Narzissten versteht man einen Egozentriker, einen eigensüchtigen, entwertenden, nicht empathischen Menschen – vor allem aber ist er ein sehr kränkbarer Mensch“, so der 65-Jährige. Zunächst sei Narzissmus ein enormer Gewinn für die Karriere. „Wenn jemand durchsetzungsstark und rücksichtslos ist, Ideen hat, bringt das ein Unternehmen und den Einzelnen voran.“ Schwierigkeiten entstünden dann, wenn derjenige irgendwann keine Kritik mehr dulde, sich angegriffen fühle und nicht mehr zuhöre. „Erdoğan zum Beispiel: Wenn ein deutscher Komödiant einen Scherz macht, löst das eine Staatskrise aus.“ Was Trump angehe, bliebe ihm nichts anderes als sich auf die Beobachterrolle des Wissenschaftlers zurückzuziehen: „Wird er sich zum Charismatiker wandeln? Wird er bösartig? Oder kommt, wie meistens irgendwann bei Narzissten, der Kollaps?“
Der Psychiater und Psychotherapeut Reinhard Haller ist Chefarzt eines Behandlungszentrums für Suchtkranke in Vorarlberg und lehrt an der Universität Innsbruck. Er ist als Kriminalpsychiater und Gerichtsachverständiger tätig und wurde bekannt durch seine Gutachten in mehreren aufsehenerregenden Fällen.
Die aktuelle Ausgabe von ZEIT WISSEN erscheint mit dem Titelthema „Richtig streiten!“ und ist ab heute im Handel erhältlich.
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